Rezension Heldenwerk „Bitterer Honig“

Vor knapp einem Monat haben wir unsere erste Einschätzung zu „Wolf und Wal“ veröffentlicht. Nun folgt die nächste Wertung zum aktuellen Exemplar „Bitterer Honig“, was mit dem Aventurischen Boten Nr. 226 kam. Mehr zum Klappentext, Erscheinungsdatum und den Formalia des 16-seitigen Werkes erfahrt ihr beispielsweise in der Wiki Aventurica.

Erwartungen

Von einigen haben wir bereits Feedback zur ersten Rezension erhalten. Diesbezüglich danken alle beteiligten Drachen an dieser Stelle explizit. Für das Abgleichen der späteren Wertung folgen hier unsere Wünsche, die wir aus Sicht von Spielleitenden stets mit einem Heldenwerk verbinden:

  • verständliches Ausarbeiten der Idee zu einem bissfertigen Abenteuer ohne großen Korrekturaufwand
  • nachvollziehbarer Plot samt Figuren sowie Aufgaben für Helden
  • angemessenes Informationsmanagement trotz eines begrenzten Formats
  • passendes Einbinden des Hintergrunds und der DSA5-Regeln.

Nun schauen wir, wie der Autor Andreas Tessarek diese Punkte unter der redaktionellen Anleitung von Alex Spohr umgesetzt hat.

Geschichte & Handlung

Das Abenteuer spielt im Bornland, am Rand des Bornwalds beim Ort Hexenhus und greift beschriebene Geschehnisse und Phänomene wie aus der Regionalspielhilfe „Die Winterwacht“ auf.
Die Bienen der Norbardensippe Mandragjeff haben Honigtau von erwachten Waldinsekten gesammelt, der zu unangenehmen Nebenwirkungen führt. Dies spürt die Tierkönigin Immigryn, welche darauf ihre Kinder zu sich ruft, um sie zu schützen. Daraufhin verlassen viele Exemplare ihre heimischen Stöcke und werden aggressiv. Über Stiche und den Honig übertragen die Insekten ihren Zorn auch auf Menschen – als sogenannte Bienenwut. Überdies haben die Mandragjeffs Honigwaren an die Anwohner aus Hexenhus verkauft. Daher zeigt sich dort ebenfalls das veränderte Verhalten, für das man den Norbarden wiederum die Schuld gibt.
Im Ort werden die Abenteurer werden Zeuge der Streitigkeiten und können den Ursachen auf die Spur gehen. Bei der Sippe lassen sich bei der Zibilja Wulfjascha mehr Details zu den Bienen, den seltsamen Veränderungen und möglichen Zusammenhängen erfahren, sodass die weiteren Hinweise in den Bornwald führen. Auf ihrem Weg können sie die Hexe Madara aus Brandthusen treffen, die ebenfalls den Geschehnissen nachgeht, und die Tochter Satuarias vor erwachten Dachsen retten. Gemeinsam folgt man den Bienen und trifft schließlich auf ihre Tierkönigin. Jedoch greifen kurz nach Ankunft der Helden erwachte Bären die Monarchin und ihr Gefolge an. Siegt die Gruppe, übergibt die gerettete Immigryn das Heilmittel an die Gefährten, um Menschen und Bienen von ihrer Wut zu befreien.

Anmerkungen & offene Punkte

Kälte und Bienen?
Der lange und ausgeprägte Winter aus der Regionalspielhilfe endet etwa im Phex 1045 BF. Das Abenteuer spielt einen Mond später im Peraine. Hier stellt sich die Frage, warum die Dörfler den Norbarden die Schuld für die Kälteperiode geben (Seite 6), wenn diese bereits vorbei ist und die Bienen wieder fliegen.

Zeichenverteilung und Regelumsetzung
Das Kapitel 2 (Hexenhus) geht auf die Anwohner und ihre Wut ein. Dazu gibt es 3 Vorlesetexte und etwa 10 Personen. Innerhalb der 2 ganzen Seiten (inklusive Illustration) erfährt man den zentralen Konflikt. Letztlich sind die meisten aufgeführten Dörfler neben dem Wirt und einem Norbardenjungen irrelevant, weil sie keine weiteren Informationen beitragen. Es gibt zwar Betroffene der Bienenwut, aber man kann weder sie noch die Honigware näher untersuchen. Probenkästen mit Angaben zu QS sucht man hier vergebens.
Analog geht es im Kapitel 3 (Norbarden) weiter, was ebenfalls etwa 2 Seiten (inklusive Illustration) bekommt. Von den etwa 8 Sippenmitgliedern ist quasi nur die Zibilja wichtig. Dazu erhält man wieder 3 Vorlesetexte (Themen: Lager, Treffen von Wulfjascha, Informationen). Am Ende wartet ein Probenkasten zum Riesen Milzenis, der im Plot – im Gegensatz zum Bornwald und den dortigen Geschehnissen – keine Rolle spielt. Ein Blick auf die Seitenzahl zeigt die Zahl 9, sodass der Autor hier schon über die Hälfte des Platzes verbraucht hat.
Das eigentliche Abenteuer beginnt mit der Suche im Wald und Kapitel 4. In einem weiteren Vorlesetext begegnet man dann der Hexe Madara, die gerade von (Anzahl der Helden/2) Streifendachse mit mittleren LeP und RS angegriffen wird. Ein Verweis zu spielrelevanten Werten der Zauberin (außer 25 AsP und den grundsätzlichen Zaubern BALSAM sowie RADAU), ein Wertekasten oder zumindest eine Kurzcharakteristik (mit LeP, relevanten Eigenschaften etc.) fehlt im kompletten Werk . Das ist leider ungünstig, da die Frau zweimal im Kampf eingreifen soll. Ab Seite 12 ist man im Kapitel 5 bei der Tierkönigin angekommen. Nach einem kurzen Gespräch folgt dann ein Angriff der erwähnen Bären (Anzahl der Heldengruppe/2, sehr hohe LeP, sehr hoher RS, einige Zauber und hohe SP). Es soll laut Autor ein epischer Kampf werden.
Darüber hinaus gibt das Heldenwerk Folgendes als Hilfe an: Die Tiermonarchin (auch keine konkreten Werte) greift selbst in die Auseinandersetzung ein und geht zu Boden, aber stirbt nicht. Weiterhin heißt es, dass die Hexe Madara, welche schon vorher kämpfen musste und ggf. die Gefährten aufwendig geheilt hat, einen Bären allein in Schach hält und der weitere Heldengegner zeitweise von Bienen abgelenkt wird.
Aus unserer Sicht werden die begleitende Zauberin und die meisten der Charaktere (Anforderungsprofil: durchschnittlich bis erfahren) an dieser Stelle wahrscheinlich sterben, da die Werte der Bären sehr stark sind und es keinerlei Erholungszeit sowie Heilung zwischen den beiden Kämpfen für die Gruppe gab.

Aufgaben der Helden
Im Grunde genommen läuft die Gruppe verschiedene Stationen ab: Vom Dorf geht es zu den Norbarden und danach in den Wald, wo man den vermissten Bienen bis zur Tierkönigin folgt. Unterwegs sind jeweils erwachte Dachse und Bären zu besiegen. Die Monarchin erklärt den Rettern auch das Problem und gibt ihnen das Heilmittel gleich mit. Leider versagt der Plot den Helden, eine eigene Lösung zu erspielen – ein Ablaufen und Erfolge in den Kämpfen reichen aus.
Darüber hinaus könnte die Bienenwut erneut auftreten, falls eine andere Norbardensippe Bienenstöcke in der Umgebung des Bornwalds besitzt. Also beseitigt man nur das jetzige Problem.

Nachvollziehbare Figuren & Handlungen
Im Abenteuer „Der schwarze Forst“ (Teil 3 der Theaterritterkampagne) hält man die Gefährten noch für verrückt, mitten durch den Bornwald zu ziehen, worauf das Heldenwerk weniger eingeht. Der Wirt in Hexenhus beziehungsweise Madara könnten zudem auf die Idee kommen, dass irgendetwas die Wutausbrüche verursacht. Charaktere mit einer Expertise in Alchimie, Tier- oder Pflanzenkunde würden wahrscheinlich den bitteren Honig untersuchen wollen, bevor man in den Wald geht.
Die Tochter Satuarias wird sich im geschwächten Zustand kaum allein einem erwachten Bären beim Finale widmen. Nach zwei bis drei getroffenen Attacken des Tieres wäre sie voraussichtlich kampfunfähig.
Unser Rezensionskollege Engor hat in seiner Rezension das Verhalten der Bienenkönigin im Endkampf moniert, was wir an der Stelle teilen. Üblicherweise würde sie ihre Kinder in den Kampf schicken und sich selbst zurückhalten. Ansonsten erhält die Norbardenzibilja am Ende des Plots genauere Anweisungen im Traum von Immigryn. Warum war das vorher nicht möglich, als es noch um das Problem ging?

Stil & Ausdruck

Wortwiederholungen und kompliziertere Konstruktionen
Das einleitende Zitat zeigt gleich mehrfach die Worte wie „Biene/n“, „Einzelne/n“, „Tanz/tanzen“ und „offenbaren“. Das setzt sich auch weiter im Heldenwerk fort.
Ansonsten schließen wir uns Engor an, der das Korrektorat – unter anderem bezüglich Kommata – moniert.

Informationsvermittlung
Es ist für das Verständnis hilfreich, die Zeitabfolgen in den Texten einzuhalten, also frühere Geschehnisse vor den Späteren zu beschreiben. In der Einleitung – beispielsweise unter „Was bisher geschah“ – erfährt man die Hintergründe und das Zusammenrufen der Bienenkönigin erst nachgelagert, obwohl sie der Grund für die fortfliegenden Insekten ist. Teilweise werden relevante Hinweise über Vorlese- oder Fließtexte vermittelt, was beim Spielleiten und schnellen Suchen sehr unübersichtlich ist. Frühere DSA5-Abenteuer lösen das unter anderem mit Stichpunktzeichen.

Hilfen

Heilender Gelée royal
Vor dem Finalkampf dürfen sich angeschlagene Gefährten mit dem Weiselfuttersaft der Königin (ähnlich BALSAM oder Heiltrank) stärken.

Die Medizin
Immigryn könnte die Abenteurer bitten, hilfreiche Zutaten aus dem Bornwald zu sammeln, um anschließend das Heilmittel anzufertigen.

Eine Antagonistin
Der Plot sieht bisher eher Zufallsgegner vor. Unter den erwachten Tieren könnte auch eine Biene sein, welche den Platz der Bienenkönigin will und daher die Bären auf ihre Konkurrentin hetzt.

Hexenwerte
Das Regelwerk hat eine bornländische Krötenhexe unter den Archetypen.

Honig im Peraine 1045 BF
Zum beschriebenen Beginn gibt es aus diversen Gründen noch nicht so viel Ernte wie:

  • dem aus der RSH festgelegten, strengen Winter bis etwa Phex
  • den gerade aufblühenden Pflanzen
  • den fortfliegenden Bienen wegen des Rufs der Königin.

Dies lässt sich mit einem Verschieben in die Folgemonde eleganter lösen.

Fragezeichen

Doch eine Tiermonarchin?
Die DSA4-Regionalspielhilfe erklärt in den Mysterien unter dem Abschnitt Bienenkaiserin, dass keine entsprechende Tierkönigin existiert. Insofern sind wir hier überrascht, dass man Immigryn ohne weitere Erläuterung in DSA5 einführt.

Analogie
Der Plotverlauf ähnelt im Design dem bereits seit 2022 vorhandenen Abenteuer „Purpurtränen“ aus „Verhandlungskunst & Friedensschwur“ auf den Zykopeninseln. Zum Schlichten eines Streits sucht man nach einer Lösung und findet eine Tierkönigin. Wir halten den Punkt für erwähnenswert, aber er fließt nicht in unsere Bewertung ein.

Zusammenfassende Kritik

Das Heldenwerk hat einen attraktiven Grundgedanken mit sense-of-wonder Anteilen. In der konkreten Umsetzung zeigen sich leider sehr viele Baustellen wie die ungünstige Platzverteilung, die fehlenden Regeln und schwer nachvollziehbare Figuren, was Anpassungsbedarf für die Spielleitenden bedeutet. Zudem fehlt es an echten Heldenaufgaben, da Meisterpersonen wie Madara und Immigryn die Lösungen auf dem Tablett servieren. Unsere Erwartungen erfüllt das Heldenwerk leider nicht. Lesende, die großen Wert auf einen fortlaufenden Hintergrund (Bienenkönigin) und Regeln legen, werden das Abenteuer womöglich noch stärker kritisieren.

Wertung:

2 / 6

2 Antworten zu „Rezension Heldenwerk „Bitterer Honig““

  1. […] gibt eine neue Rezension von Daradors prüfendem Blick. Das aktuelle Heldenwerk Bitterer Honig wurde unter die Lupe genommen […]

  2. […] schwierig ist. Auch auf der Seite von Daradors prüfender Blick hat man sich mit diesem Heldenwerk auseinander […]

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